Heimat als Gefühl
und Kitsch als Kunst

„Kitsch oder Warum der schlechte Geschmack eigentlich der gute ist.“ So lautet der Titel eines Buches von Konrad Paul Lissmann, das meine Einstellung zu röhrenden Hirschen, weiss-rot-karierten Textilien und ländlicher Idylle mit Sonnenuntergang nachhaltig verändert hat. Auch die in Düsseldorf lebende Künstlerin Anne-Marie von Sarosdy verlinkt auf ihrer Homepage zum Wiener Fachmann für die Ästhetik von Kitsch. Und so erstaunt es auch nicht, dass auf ihrer Eingangsseite steht: „Alles, wonach es den Menschen instinktiv verlangt, Liebe, Einheit, Festigkeit, Sinn und Ziel, erfüllt die Heimat.“

Dieses Buch unmissverständlich als künstlerische Werkschau zu positionieren, ist wichtig, um vor falschen Erwartungen und ungerechtfertigter Kritik zu schützen. Eigentlich müsste man gleich das knapp zweiseitige Vorwort der Kulturjournalistin Magdalena Kröner im ganzen Wortlaut zitieren. Denn sie bringt das Wesentlich dieser Bilder auf den Punkt.

„Niemand kann sich der Anziehungskraft von Heimat entziehen. Sie löst ebenso heftige Gefühle aus wie die Liebe. Sie macht glücklich und ist im kollektiven Unbewussten verankert, weil sie unsere romantischen Wunschvorstellungen einer heilen Welt weckt.“

Nun ist aber Anne-Marie von Sarosdy keine Frau, die unreflektiert rote Herzen auf Kissenüberzüge stickt oder glaubt, früher sei alles besser gewesen.

 

Heimat als Gefühl
und Kitsch als Kunst

Als Künstlerin will sie mit ihren fotografischen Inszenierungen Brüche aufzeigen und die Vertreibung aus dem Paradies zeigemäss interpretieren. Und das macht sie so gekonnt und subtil, dass der Betrachter nie ganz sicher ist, wie ernst er ein Motiv nehmen soll, wie sehr er sich auf das Dargestellte einlassen und seinen Gefühlen vertrauen darf. Dieses Spiel mit der Wahrnehmung gelingt der Fotografin auch deshalb so gut, weil sie ihr Handwerk beherrscht und sich ganz auf Lichtführung, Anordnung der Requisiten, die Auswahl der Figuren und die Farbgebung konzentrieren kann.

„In ihrer überbunten Realität gleichen diese Fotografien nicht zuletzt geradezu surrealen, schwerelosen Streifzügen durch imaginäre Traumwelten, die uns einladen, sich verführen zu lassen“, schreibt Magdalena Kröner. Dieser Einladung sollten alle Folge leisten, die sich für moderne Fotografie, die Inszenierung von Heimat und für Kunst von Frauen interessieren. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betrachter Ironie nicht als Abwehr eigener Betroffenheit, sondern als künstlerisches Gestaltungsmittel begreift.

Mein Fazit: Fotokunst vom Feinsten. Mit einem Vorwort, das den Kern von Anne-Marie von Sarosdy künstlerischem Schaffen so gut erfasst, dass sich weitere Kommentare erübrigen. Keine Dekokunst, sondern Bilder, die Antworten auf Fragen geben, die sich jeder Mensch immer wieder stellen muss.

Dr. Werner Fuchs 19. September 2009