Zu den Werken von Anne-Marie von Sarosdy

In ihrer Werkreihe „Heimatliebe“ interpretiert die Künstlerin Anne-Marie von Sarosdy den Begriff Heimat als ein idyllisches, bayrisch-barockes Paradies von der Kulisse der Alpen mit feschen Madels, strammen Burschen, Wilderern und Alpenglühen, alles blumig in Szene gesetzt. Damit bewegt sie sich auf einer feinen Linie zwischen Kitsch und Kunst und während mancher angesichts des vermeintlichen Kitsches die Nase rümpft, feiert die Kunstszene die bunten Bilder der Photokünstlerin als ironisches Spiel mit den Klischees Heimat und Heimweh.

Für die Auswahl der Ausstellungsexponate orientierte sie ihre Entscheidung an der Frage, welche Träume, Wünsche und Erinnerungen die Menschen haben, welches Verlangen nach der Liebe, Heimat und eigener Familie sie umtreibt, welches Begehren nach unberührter Natur, nach alten Werten und regionaler Kultur sie bewegt. Die Photographin treibt die Klischees von Begriffen wie ,,schön“, ,,prächtig“, ,,goldig“, ,,liebreizend“ und ,,süß“ in ihren Bildern auf die Spitze. Die von ihr geschilderten Szenen wirken wie Gegenmodelle zu einer modernen, schnelllebigen, von hohen Scheidungszahlen und ,,Patchwork-Familien“ geprägten Welt. Ihre Figuren scheinen Heimatverbundenheit und religiöse Tugenden hochzuhalten, die gemeinhin als ,,deutsch“ angesehen werden, wie Fleiß, Ehrlichkeit und Treue. In Einklang hierzu wirken die Bilder wie die Sehnsucht nach einem als paradiesisch verstandenen Heimatbegriff.

Die Faszination der Photographien von Anne-Marie von Sarosdy liegt in der fast surrealen Welt, die sie uns vor Augen führen. Die Künstlerin zeigt eine heitere, farbenfrohe Bergwelt, mit Figuren, wie sie in ihrer Schönheit, Makellosigkeit und ihrer Anmut sonst nur in filmischen Visionen oder der romantischen Literatur vorkommen können. In idyllischen Berg- und Waldlandschaften werden nahezu vollkommene, von Gesundheit, Schönheit und Kraft strahlende Menschen bevölkert, wie sie die Lebenswirklichkeit kaum kennt. Die künstlichen Welten der Photographin von beinahe paradiesischen Zuständen, in der es weder Krankheit

Zu den Werken von Anne-Marie von Sarosdy

noch Naturzerstörung oder gar Hässlichkeit zu gebe scheint, greifen ganz bewusst eine Traditionslinie der Kunst auf, die aus Italien stammt, im alpinen Raum seit dem siebzehnten Jahrhundert verbreitet uns bis heute ausgesprochen beliebt ist und die als Kunst des Barocks bezeichnet wird. Die prachtvollen Architekturen mit ihren scheinbar schwingenden Wänden und Säulen, das Goldornament und die in dieser Epoche beliebten, knabenhaften und makellose Engelknaben stellen eine Scheinwelt dar, wie sie der Bildwirklichkeit in den Photos von ihrer Vollkommenheit und ihren entrückten Blicken ihre Entsprechung in den Werken der barocken Malerei und Skulptur. So wie die Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts bei der Betrachtung der Scheinwelten an den gemalten Kirchendecken von einer vollkommenen, außerhalb des irdischen Lebens angesiedelten Welt träumten, so wecken auch die Photos der Düsseldorfer Künstlerin Sehnsüchte nach einer heilen Welt.

In der Münchner Ausstellung der Photos von Anne-Marie von Sarosdy wird das vermeintlich Verklärende der Motive betont. Deshalb sind die Bilder in floral-ornamentale Rahmen gefasst, was ihre süßliche Wirkung verstärkt. Dass die Bilder eine leichte ironische Distanz zum eigenen Sujet spüren lassen, entspricht dem künstlerischen Konzept der Photographin. Somit zeigt ihr Werk offensiv die Inszenierung und meidet bewusst jegliche Milieu oder Sozialschilderung.

Die Photos, die sie ausnahmslos mit professionellen Photomodellen aufnimmt, wollen bewusst eine paradiesische Scheinwelt vorstellen. Sie beschönigen, verklären und überhöhen ihre fruchtbar wirkenden Helden, die in unberührter und heiler Natur vor zuweilen atemberaubenden Bergpanoramen angesiedelt sind. Dabei besitzen die Bilder ihren eigenen ästhetischen Wert, auf der Schwelle zwischen Filmstill und Portrait. Die Schilderung von Welten mit einer magischen Atmosphäre machen die Begegnung mit den Bildern zu einem einzigartigen und besonderen Erlebnis.

Rupert Pfab, Kunsthistoriker und Galerist