Liebessommer auf der Alm

von Rupert Pfab – Kunstihistoriker

„Liebessommer auf der Alm“, wo sich die hübsche Magd in den reichen Bauernsohn vom Lanzinger Hof verliebt, von ihren Tanten aber gewarnt wird,  weil es doch nur eine Frage der Zeit sei, bis so einer sie betrügen würde, die  Geschichte aber in einer Heirat und der Geburt von gesunden Zwillingen endet, solche und ähnliche Geschichten bilden den Stoff der Heimat-Romane, die sich großer  und seit jeher ungebrochener Beliebtheit erfreuen. Die Auflagenzahlen von jährlich mehreren Millionen Heften belegt die Attraktivität der Geschichten.

In mehr als 18 Jahren hat Anne-Marie von Sarosdy tausende solcher Motive geschaffen. Für die  Auswahl der Ausstellungsexponate orientierte sie ihre Entscheidung an der Frage, welche Träume und Wünsche die Menschen haben, welches Verlangen nach Liebe, Heimat und eigener Familie sie umtreibt, welches Begehren nach unberührter Natur, nach alten Werten und regionaler Kultur sie bewegt. Die Fotografin treibt die Klischees von Begriffen wie „schön“, „prächtig“, „goldig“, „liebreizend“ und „süß“ in ihren Bildern auf die Spitze. Die von ihr geschilderten Szenen wirken wie Gegenmodelle zu einer modernen, schnellebigen, von hohen Scheidungszahlen und “Patchwork-Familien” geprägten Welt. Ihre Figuren scheinen Heimatverbundenheit und religiöse Tugenden hochzuhalten, die gemeinhin als “deutsch“ angesehen werden, wie Fleiß, Ehrlichkeit und Treue. In Einklang hierzu wirken die Bilder wie die Sehnsucht nach einem als paradiesisch verstandenen Heimatbegriff.

Die Faszination der Fotografien von Anne-Marie von Sarosdy liegt in der fast surrealen Welt, die sie uns vor Augen führen. Die Künstlerin zeigt eine heitere, farbenfrohe Bergwelt, mit Figuren, wie sie in ihrer Schönheit, Makellosigkeit und ihrer Anmut sonst nur in filmischen Visionen oder der romantischen Literatur vorkommen können. In idyllischen Berg- und Waldlandschaften werden nahezu vollkommene, von Gesundheit, Schönheit und Kraft strahlende Menschen bevölkert, wie sie die Lebenswirklichkeit kaum kennt.

Die künstlichen Welten der Fotografin von beinahe paradiesischen Zuständen, in der es weder Krankheit noch Naturzerstörung oder gar Häßlichkeit

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zu geben scheint, greifen ganz bewußt eine Traditionslinie der Kunst auf, die aus Italien stammt, im alpinen Raum seit dem 17. Jahrhundert verbreitet und bis heute ausgesprochen beliebt ist und die als Kunst des Barock bezeichnet wird. Die prachtvollen Architekturen mit ihren scheinbar schwingenden Wänden und Säulen, das Goldornament und die in dieser Epoche beliebten, knabenhaften und makellosen Engelsknaben stellen eine Scheinwelt dar, wie sie der Bildwirklichkeit in den Fotos von Anne-Marie von Sarosdyzu finden sind. Deren Personen finden in ihrer Vollkommenheit und ihren entrückten Blicken ihre Entsprechung in den Werken der barocken Malerei und Skulptur. So wie die Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts bei der Betrachtung der Scheinwelten an den gemalten Kirchendecken von einer vollkommenen, außerhalb des irdischen Lebens angesiedelten Welt träumten, so wecken auch die Fotos der Düsseldorfer Künstlerin Sehnsüchte nach einer heilen Welt.

In der Münchner Ausstellung der Fotos von Anne-Marie von Sarosdy wird das vermeintlich Verklärende der Motive betont. Deshalb sind die Bilder in floral-ornamentale Rahmen gefaßt, was ihre süßliche Wirkung verstärkt. Dass die Bilder eine leichte ironische Distanz zum eigenen Sujet spüren lassen, entspricht dem künstlerischen Konzept der Fotografin. Somit zeigt ihr Werk offensiv die Inszenierung und meidet bewusst jegliche Milieu- oder Sozialschilderung. Die Fotos, die sie ausnahmslos mit professionellen Fotomodellen aufnimmt, wollen bewusst eine paradiesische Scheinwelt vorstellen.

Sie beschönigen, verklären und überhöhen ihre fruchtbar wirkenden Helden, die in unberührt heiler Natur vor zuweilen atemberaubenden Bergpanoramen angesiedelt sind. Dabei besitzen die Bilder ihren eigenen ästhetischen Wert, der auf der Schwelle zwischen Filmstill und Porträt angesiedelt ist. Diese Fähigkeit der Fotografin, ursprünglich für einen Zweck bestimmte Motive in einer eigenständigen Bildsprache und Präsentationsform vorzustellen, in der es nicht um die Schilderung inhaltlicher Zusammenhänge geht, als vielmehr um die Vermittlung einer bestimmten Atmosphäre, und um die Schilderung von Orten mit einem magischen Ambiente, macht die Begegnung mit den Bildern zu einem einzigartigen und besonderen Erlebnis.

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