Titel?

In ihren jüngsten Arbeiten entwirft die Düsseldorfer Fotografin Anne-Marie von Sarosdy neue Heimatwelten, deren glänzender, vertrauter Zauber das Herz sofort gefangen nimmt. Die Künstlerin inszeniert Bilder eines vollkommenen ländlichen Friedens, voll idyllischer Beschaulichkeit und saftiger Opulenz, die tief verborgene Sehnsüchte wecken.

Wir sehen mächtige Bergketten, vor denen sich Magd und Knecht im Kuß begegnen, umglänzt vom Sonnenschein; die junge Bäuerin an der Tränke, die fragend den Blick in die Ferne richtet.

Von Sarosdys Fotokunst schafft Sehnsuchtsbilder erster Ordnung.
Es ist schlicht unmöglich, sich der Aktualität und der archetypischen Kraft dieser Bilder zu entziehen: zu nah sind sie den ursprünglichsten Wünschen und Träumen, die jeder von uns in sich trägt.
Diese Fotografien sind auf den Punkt gebracht wie Gemälde: voll kompositorischer Präzision und farblicher Intensität. Das Zusammenspiel aus  Licht, Farben, Strukturen und Flächen verleiht den Fotografien eine malerische Qualität.

Man mag an berühmte Gemälde denken: Ihre leuchtenden Bergpanoramen haben in ihrer Dramatik viel gemein mit der Gewalt der urwüchsigen Landschaften Ferdinand Hodlers, während die stillen, häuslichen Szenen an Adolf Menzels Idyllen denken lassen. Die sonnendurchfluteten, bukolischen Szenen in freier Natur erinnern in ihrer heiteren Gestimmtheit manches Mal an die sorglosen Sommerfrischler Carl Spitzwegs. Doch wird das bekannte Vokabular von der Fotografin ohne allzu große Ehrfurcht vor der Kunstgeschichte zusammengeschmolzen zu Bildern, die keine Angst vor dem Kitsch haben. (schöne Beschreibungen der Bilder, aber für so viele Vergleiche haben wir keinen Platz, obwohl die Idee schön ist-)
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„Als Künstlerin, die sich mit Kitsch befaßt, kann ich wieder unschuldig wie ein Kind spielen, bevor es die Normen der Gesellschaft eingehämmert bekommen hat“, meint Anne-Marie von Sarosdy im Gespräch. „Ich darf das zeigen, was andere nicht dürfen: Nostalgie ohne Normen, Schönheit ohne Grenzen, glatte, schöne Körper, Helden, Heilige, die sublimen Freuden des kleinen Glücks und das Ganze in knalligen Farben, wie sie mir gefallen!“

Und wir sehen: das Kind im Künstler mit überbordender Lust, alle Bausteine respektlos durcheinanderzuwürfeln. Lust und Ehre, Verführung und Reinheit, Glaube und Sünde stehen hier – jenseits aller Konfessionen, als universell verständliche Gehalte gleichwertig nebeneinander. Von Sarosdy streut eine glitzernde Dosis Katholizismus ein in Gestalt einer schwarz gewandeten Büßerin in einer opulenten Barockkirche.

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Dazu gesellen sich üppige Mägde mit Schubkarren wie Füllhörner, kräftige Burschen mit übervollen Milchkübeln – „Honi soit qui mal y pense…!“ Erlösung und Sünde existieren nebeneinander als Symbole eines Menschlichen, das sich behaglich und vertraut in die Wahrnehmung schmeichelt. Die von Anne-Marie von Sarosdy inszenierte Perfektion atmet jedoch etwas Berührbares; keine unerreichbare Glätte. Ihre Fotografien stellen die Symbole des Guten und Schönen aus, deren Ewigkeitsanspruch sich die wenigsten zu entziehen mögen. Sie folgen keiner Mode: derartige Bilder mag es schon vor Dekaden gegeben haben – und doch sind sie brandaktuell. In diesem Sinne sind sie Kitsch – at its best.

Im Kitsch formuliert Anne-Marie von Sarosdy bewußt ihre Antwort auf das Rasen der globalen Bildmaschinerie, und er-findet eine „Heimat“ voll vertrauter Symbole, die sie gleichwohl in ihrer subtilen Abgründigkeit erkennt und ausstellt.

In diesem Sinne illustrieren Anne-Marie von Sarosdys Fotografien auf doppelte Weise „Heimat“: sie zeigen Szenen, deren Inhalte wir aus Märchen und Erzählungen aus der Jugend kennen – und: sie zeigen eine deutliche Affinität zum Heimatfilm. „Ich werde immer wieder gefragt: warum zeigst du keine Halligen? Die norddeutsche Heide? Das Ruhrgebiet?“, berichtet die Künstlerin. „Ich glaube jedoch, daß der alpenländische Raum für einen allgemeingültigen Erfahrungsraum steht, der fast überall auf der Welt als „Heimat“ verstanden werden kann. Und nicht zuletzt stehen die Alpen, das Dirndl, der Bauernhof – wie die Kuckucksuhr – für etwas Deutsches im positiven Sinne. Und das ist, in den letzten Jahren, kein Schimpfwort mehr.“

In ihrer Fotografie bebildert die Fotokünstlerin – voller Leidenschaft und Ironie – die vielschichtigen, durchaus ambivalenten Gefühle, die sich an ein Wort wie „Heimat“ knüpfen – und es zu viel mehr als einem Wort machen. Ihre Foto-Epen erwecken die Erinnerung, den sehnsüchtige Traum von einer Heimstatt, zu neuem Leben. Sie entsprechen darin – ganz aktuell – einer mächtigen Tendenz, eigene, überschaubare Räume zu besetzen; sich seiner individuellen Geschichte und seiner Wurzeln bewußt zu werden, und diese gegen die weltweite Gleichschaltung von Erfahrungsräumen und Lebensmustern zu setzen.

Anne-Marie von Sarosdys moderne, zeitlose Märchenbilder laden ein, sich verführen zu lassen. Sie überschreiten Genres und Konventionen und öffnen damit ein bildkünstlerisches Terrain, das im Vertrauten das Provozierende aufscheinen läßt –  damit für eine Menge vergnügen sorgt, und uns mehr über unsere verdeckten Sehnsüchte zeigt, als uns lieb sein mag.

Magdalena Kröner – Kultur Journalistin
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